Die Arbeit versteht sich als work in progress. Der Forscherkreis trifft sich zu regelmäßigen Forschungskolloquien. Die Ergebnisse dieser Kolloquien werden in einzelnen Beiträgen hier sukzessive veröffentlicht und zur Diskussion gestellt.

Veröffentlichungen

Karma als Konsequenz der ideenrealistischen Willensauffassung Steiners

Wilfried Sommer (2020)
Abstract:

Wie in einem vorangehenden Aufsatz des Autors auf dieser Plattform erläutert, fasst Steiner in seinen anthropologischen Entwürfen der Allgemeinen Menschenkunde und des Heilpädagogischen Kurses die Beziehungskraft des Willens als tätigen Vollzug in einer geistigen Bezogenheit auf. In dem vorliegenden Aufsatz wird die volitionale Dimension einer kognitiven Lehr-Lern-Episode im Unterricht der Waldorfschulen unter der angeführten Perspektive untersucht. Dabei zeichnen sich die im Lernprozess gefassten Ideen durch eine inhärente Dynamik aus, sie treten in immer gehaltvolleren und auch integrierenderen Formen in Erscheinung. Kontrastierend zu ideenrealistischen Position Steiners erweist sich die Episode in der Perspektive der phänomenologischen Anthropologie als die Implikation einer Weltbegegnung in die unbewusste Leiblichkeit, die dann durch den Unterricht in mannigfaltige Explikationen überführt wird. Indem beide Perspektiven von der Lehr-Lern-Episode auf die Ich-Welt-Beziehung erweitert werden, zeichnet sich ab, wie Steiners Karmabegriff als Konsequenz seiner ideenrealistischen Willensauffassung gedacht werden kann.

Keywords: Allgemeine Menschenkunde, Anthropologie, Beziehungsweisen und Bezogenheiten, Heilpädagogischer Kurs, Ich-Welt-Beziehung, Ideenrealismus, Karmabegriff, phänomenologische, phänomenologische Anthropologie, relationale, Steiner, Waldorfpädagogik

Sympathie und Antipathie als erzieherische Kräfte – Über Rudolf Steiners Hinweise in der Allgemeinen Menschenkunde und im Heilpädagogischen Kurs

Walter Riethmüller (2019)
Abstract:

In seinen Vorträgen zur Pädagogik 1919 bis 1924 entwickelt Rudolf Steiner systematisch den methodischen Weg einer individualisierenden Pädagogik; im zweiten Vortrag des ersten Lehrerkurses „Allgemeine Menschenkunde“ (GA 293) und des zeitlich daran direkt anschließenden Vortrags im „Methodisch-Didaktischen“ (GA 294) beschreibt er die grundlegenden Seelenkräfte der Sympathie und Antipathie und weist dabei die Lehrerpersönlichkeiten auf die Möglichkeiten hin, mit bewusster Selbstschulung sich dieser Kräfte systematisch zu „bedienen“, um das Rätsel des Kindes durch erziehenden Unterricht zu lösen. An diesen Gesichtspunkt des sich selbst erziehenden Lehrers appelliert er unter variierenden Gesichtspunkten immer wieder sehr eindrücklich; besonders bemerkenswert sind die Gedanken, die er 1922 in Oxford (GA 305) und 1923 in Dornach (GA 306) diesem Thema widmet; man erlebt einen systematischen Aufbau bis hin zu einer Art Gebet, wie Steiner es nennt, einer „Meditation“, welche die spirituelle Dimension des Erziehungsprozesses aufreißt. Im Vergleich zu den ersten grundlegenden Ausführungen 1919 wird dann fünf Jahre später im Heilpädagogischen Kurs besonders deutlich, dass Steiner hier nochmals eine Steigerung dieses Schulungsweges als Grundlage einer dezidiert „heilenden“ Erziehung vornimmt.

Keywords: Ausgelöschtsein, Individualisierung, Lehrerpersönlichkeit, Persönlichkeitsgeist, Physiognomische Pädagogik, Selbsterziehung, Temperamente, Unbefangenheit

„Lebendiges Wissen“ – Über den Bezug der Waldorfpädagogik und Waldorf-Heilpädagogik zur Goethe’schen Phänomenologie (1. Teil)

Bernhard Schmalenbach (2019)
Abstract:

Rudolf Steiners schriftliche Äußerungen zur Pädagogik umfassen nicht mehr als 80 Seiten. In diesen stellt er insbesondere seinen Anspruch dar, Gedanken zu formulieren, die es der Pädagogin und dem Pädagogen ermöglichen, zu einem ‚lebendigen Wissen‘ zu gelangen, welches die Brücke zwischen pädagogischen bzw. anthropologischen Theorien und Normen auf der einen Seite und den unmittelbaren Wahrnehmungen in der pädagogischen Situation auf der anderen Seite bilden soll. Der hier vorliegende Text rekonstruiert die Merkmale dieser Wissenskonzeption sowie deren Verwurzelung in Goethes Ausführungen zur Naturerkenntnis und erarbeitet Bezüge zu klassischen und zu aktuellen Theorien der Pädagogik und Heilpädagogik, unter besonderer Berücksichtigung der Begriffe ‚Ganzheit‘ und ‚Metamorphose‘.

Keywords: Anthropologie der Waldorfpädagogik und Heilpädagogik, Formen des Wissens, Ganzheitlichkeit, Goethes Naturwissenschaft, Metamorphose, phänomenologische Methode

Vorstellen als leiblicher Vollzug in der frühkindlichen Entwicklung

Walter Riethmüller (2019)
Abstract:

„Vorstellen“ vollzieht sich im Säuglingsalter als eine „leibliche“ Tätigkeit im Gesamtkontext der frühkindlichen Nachahmungsfähigkeit. Diese ist durch den „motorischen“ Mitvollzug zu beschreiben, in welchem eine vollständige Hingabefähigkeit an die Umgebung lebt. Sie bekommt im Zwischenmenschlichen eine besondere Qualität, welche D. N. Stern als ein dramaturgisch komponierten „Skript“ mit Phasen der Hingabe, des Erfülltwerdens und –seins und des Abwendens beschreibt. Diese Phasen schildert Rudolf Steiner auch für das „Erleben“ des geistigen Wesenskerns in der geistigen Welt vor einer neuen Inkarnation. Frühkindliches „Vorstellen“ in irdischen Verhältnissen kann dadurch als „Bild“ vorgeburtlichen Daseins verstanden werden.

Keywords: Makrokosmos, Mikrokosmos, Nachahmung, Neun-Monats-Revolution, vorgeburtliches Dasein, Vorstellen, Weltenäther

Blut und Nerv: Funktionelle Organaspekte als Grundlage seelischer Tätigkeit

Christian Schikarski (2019)
Abstract:

Durch eine Beschreibung der Organsysteme von Blut und Nerv wird anhand physiologischer und anatomischer Gegebenheiten eine Annäherung an die Begriffsbildungen der Allgemeinen Menschenkunde von Rudolf Steiner gesucht. Es wird der Frage nachgegangen, wie der dort geäußerte Gedanke, dass der Knochen ein zu seinem Ende gekommener Nervenprozess ist, sich in physiologischen Gegebenheiten spiegelt und wiederfindet. Ebenso wird dem Gedanken nachgegangen, wie die von Steiner angenommene Tendenz des Blutes sich zu verstäuben in der Physiologie sich wiederfinden lässt. Als organische Grundlage dienen diese Organbereiche dem seelischen Vermögen von Vorstellung und Wille und können so vom Organischen her erläutern, wie deren polare Dynamik verständlich werden kann.

Keywords: Blutkreislauf, elektrisches Potential, Energiewechsel, Herzfunktion, Knochenphysiologie, Markscheide, Nerv, Nervenfunktion, Nervenphysiologie, Satz von der Erhaltung der Energie, Stauorgan

Der Begriff des Modellleibes im Heilpädagogischen Kurs Rudolf Steiners

Christian Schikarski (2019)
Abstract:

Der Aufsatz geht dem Begriff des „Modellleibes“ nach, wie er im Heilpädagogischen Kurs von Rudolf Steiner aus dem Jahr 1924 eingeführt wird. Es werden Aspekte der pränatalen Phase und der ersten sieben Lebensjahre aufgeführt, die den Modellleib als Agens, Gegenstand, Bedingung und Ausgangssituation des menschlichen Lebens erläutern. Frühe Prägung und damit epigenetisch bedingte Veranlagungen können als Bestandteil des Vererbungs- und Modellleibes beschrieben werden. Ein Rückblick auf die Entwicklung der Vererbungslehre unterstützt die These, dass mit dem Begriff „Vererbungsleib“ von Rudolf Steiner hauptsächlich epigenetische Aspekte angesprochen sind. So wird ein Verständnis für die dialogische Wechselwirkung zwischen „Geistseele“ und Modellleib als Grundlage der kindlichen Entwicklung angelegt.

Keywords: Epigenetik, Geburt, Geist-Seele, Körper, Leib, Modellleib, Nachahmung, Pränatale Phase, Vererbung, Vererbungsleib

Der erste Lehrerkurs Rudolf Steiners: Schulungsgedanken für eine Verlebendigung des Denkens

Christian Boettger (2019)
Abstract:

Die hier vorliegende Betrachtung untersucht das Verständnis der Leiblichkeit, das von Rudolf Steiner in dem sogenannten ersten Lehrerkurs anlässlich der Begründung der ersten Freien Waldorfschule in Stuttgart vom 21. August bis 05. September 1919 in Vorträgen und Seminarbesprechungen entwickelt wird. Dabei soll gezeigt werden, dass die in diesem Kontext als Denkherausforderungen benannten Äußerungen Rudolf Steiners vor allem als Schulungsgedanken für eine Verlebendigung des Denkens und zur Entwicklung eines Denkens in Bildern oder eines ‚imaginativen Denkens‘ verstanden werden können, die die angehenden Lehrerinnen und Lehrer auf die Unterrichtstätigkeit vorbereiten sollten. Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen die Vorträge 10 bis 14 zur „Allgemeinen Menschenkunde“, deren Denkherausforderungen in Bezug auf den Leibbegriff herausgearbeitet werden.

Keywords: Allgemeine Menschenkunde, Denkherausforderungen, Erster Lehrerkurs, imaginatives Denken, lebendiges Denken, Leiblichkeit, Metamorphose, Steiner, Waldorfpädagogik

Der Wille als Beziehungskraft: Anmerkungen zu bewussten und unbewussten Formen dieser Kraft

Wilfried Sommer (2019)
Abstract:

Steiner charakterisiert in den anthropologischen Entwürfen der Allgemeinen Menschenkunde und des Heilpädagogischen Kurses den Willen als unmittelbare, gehaltvolle Regsamkeit und nicht als abstrakte Umsetzungsinstanz von Konzepten oder Ideen. Er nimmt eine ideenrealistische Position ein: Ideen könnten in äußerer Form produktiv erscheinen, der Wille als Beziehungskraft zeitigte gehaltvolle Bezogenheiten. Während Konzepte in abständiger Weise bewusst würden, bliebe die unmittelbare Willensentfaltung unbewusst. Anhand von Beispielen wird diskutiert, wie diese anthropologischen Überlegungen und spezifische Unterrichtskonzepte der Waldorfpädagogik einen einheitlichen Reflexionsrahmen aufspannen, um pädagogische Praxis zu fassen und inhaltlich auszuloten.

Keywords: Allgemeine Menschenkunde, Hegel, Heilpädagogischer Kurs, Ideenrealismus, Jaspers, phänomenologische Anthropologie, relationale Anthropologie, Schlaf, Spaemann, Steiner, Waldorfpädagogik, Wille

Der Leib als anverwandelte Welt und personaler Körper: Bemerkungen zur Beziehung von Ich und Leib

Wilfried Sommer (2019)
Abstract:

Steiner entwickelt in den anthropologischen Entwürfen der Allgemeinen Menschenkunde und des Heilpädagogischen Kurses den Leib als Träger der „Ich-Organisation“. Am Beispiel des Gehens wird vorgestellt, wie das Verhältnis zwischen der Schwere des Leibes und der „Ich-Organisation“ konkret gedacht werden kann. Dabei zeigt sich, dass die phänomenologische Anthropologie mit ihrer Unterscheidung zwischen Leib und Körper eine Brücke zur Steinerschen Position bildet. Außerdem wird das Wechselspiel zwischen Schwere und „Ich-Organisation“ im Gehirn diskutiert. Hier treten Parallelen zum Gehen auf. Die vorgestellten anthropologischen Positionen werden auf pädagogische Miniaturen der Schulpraxis rückgebunden.

Keywords: Allgemeine Menschenkunde, Gehirn, Heilpädagogischer Kurs, Körper, Leib, phänomenologische Anthropologie, Resonanzpädagogik, Schwerkraft, Steiner, Waldorfpädagogik, Wille