Abstract:

Rudolf Steiners philosophisches Werk, welches für die Begründung der Waldorfpädagogik eine zentrale Bedeutung hat, ist seitens der akademischen Philosophie bislang kaum bearbeitet worden. Dies gilt insbesondere auch für seine sozialphilosophischen Ideen zu den Fragen der Intersubjektivität, welche gegenwärtig auch unter dem Begriff Soziale Kognition diskutiert werden. Auch wenn sozialphilosophische Positionen in Steiners erkenntnistheoretischen Werken angelegt sind, wurden diese nicht systematisch ausgearbeitet, sondern bleiben fragmentarisch. Dies gilt auch für Ausführungen in anderen Schriften und in Vorträgen. Im folgenden Text wird Steiners Position anhand einer kurzen Passage im Anhang seiner Philosophie der Freiheit analysiert und in den Kontext zeitgenössischer Positionen gesetzt. Es wird gezeigt, dass Steiner die Möglichkeit einer Wahrnehmung fremden Denkens vertritt, welche jedoch nicht unmittelbar und nicht voraussetzungslos erfolgt, welche aber ein zentrales Element sozialer Kognition darstellt. Diese wird nicht nur propositional, sondern auch als Beschreibung des Vollzugs sozialer Wahrnehmung rekonstruiert. Schließlich befragt der Beitrag die Bedeutung dieser Konzeption im Hinblick auf soziale, pädagogische und therapeutische Aufgabenstellungen in Verbindungen mit Störungen der sozialen Interaktion, u.a. im Zusammenhang mit dem Autismus.